Die Unbeugsamen
Die Unbeugsamen
Deutschland, 2021
Regie: Torsten Körner
Genre: Dokumentation
Es ist sicher einer der letzten warmen Sommerabende, Freitag noch dazu und ich dachte außer mir ist sowieso keiner im Kino. Irrtum. Als ich ankomme ist die Schlange lange und ich ergattere den allerletzten der wegen der Pandemie immer noch nicht vollzählig freigegebenen Plätze.
Fast nur Frauen sind im Kino, ich dürfte zu den jüngsten zählen. Beides ist angesichts eines Films über Politikerinnen in der Bonner Republik nicht allzu verwunderlich. Ein Mann in der Reihe vor mir erzählt, er habe von dem Film in der Vorschau eines anderen Films erfahren und ihn unbedingt sehen wollen. Er sieht sich um und vermeldet 6 männliche Zuschauer von ca. 45 besetzten Plätzen insgesamt.
Thorsten Körner („Schwarze Adler“) hat mit „Die Unbeugsamen“ wieder einen großartigen Dokumentarfilm geschaffen, der die Geschichte der Politikerinnen der Bonner Republik erzählt, Frauen, die sich dem Machtanspruch von Männern ausgesetzt sahen, die diesen teilweise mit sexistischen Sprüchen, Beleidigungen, Zwischenrufen und Auslachen bei Redebeiträgen auf eine Art und Weise verteidigten, dass es einem kultivierten Menschen graust. Die Berichte der Politikerinnen wie Renate Schmidt, Christa Nickels, Herta Däubler-Gmelin, Ingrid Matthäus, Waltraud Schoppe oder Rita Süßmuth in den Interviews untermauert Körner mit Originalaufnahmen aus dem deutschen Bundestag. Nichts wird kommentiert, es wird gezeigt wie es war. Da flezen mittelalte bis ältere Männer in Anzügen mit schiefgezogen Krawatten in ihren Sesseln, schlagen sich auf die Schenkel und ermuntern einander zu Zwischenrufen, dass einem nur noch der schön altmodische Ausdruck „Flegel“ einfällt. Als hätte man eine Schulklasse unerzogener Dreizehnjähriger vor sich. „Meine Herren, setzen Sie sich mal anständig hin.“ möchte man rufen.
„Die hatten Angst, Macht abgeben zu müssen.“ sagt eine der Politikerinnen im Interview. „Jede Position, die von einer Frau besetzt wird, ist für einen Mann verloren.“
Torsten Körner hat den Film in Kapitel aufgeteilt. Eines davon, überschrieben mit „Hannelore und Petra“, zeigt auch, wie der Mensch an Politik zugrunde gehen kann.
Eingerahmt wird der Film von wechselnden Aufnahmen eines Orchesters und einer Gruppe Menschen, die sich zum Gruppenbild aufstellt. Zu Beginn des Films sieht man am Dirigentenpult Herbert von Karajan und die männlichen Bonner Politiker, die sich zum Gruppenbild formieren. Am Ende des Films steht Mirga Grazinyté-Tya vor dem Orchester und die Politikerinnen der Bonner Republik stehen zum Gruppenfoto bereit.
Kürzlich durfte ich Aminata Touré kennenlernen, die Vizepräsidentin des Kieler Landtages, eine junge engagierte und mit ihren noch nicht 30 Jahren schon sehr erfolgreiche Politikerin. Für Frauen wie sie haben die Politikerinnen der Bonner Republik den Weg geebnet. Es ist noch lange nicht so wie es sein sollte, es gibt noch immer viel zu wenig Frauen in der Politik, aber es werden mehr und auch Männer haben verstanden, dass Politik mitnichten Männersache ist. Wie sagte einst Käte Strobel, in den Sechziger- und frühen Siebzigerjahren Gesundheits- und Familienministerin: "Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte."
Aber Feminismus ist auch nicht nur Frauensache. Danke für diesen Film, Torsten Körner.