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Der Mauretanier

Der Mauretanier

​Der Mauretanier

​USA, 2021

Regie: Kevin Macdonald
Genre: Justizdrama

Darsteller: Jodie Foster, Tahar Rahim, Benedict Cumberbatch

​Heute ist der 11. September 2021. Wissen Sie noch, wo Sie heute vor 20 Jahren waren, wie Sie von den Anschlägen in New York erfahren hatten? Mohamedou Ould Slahi weiß vor allem, wo er die 14 Jahre danach verbrachte.

Auf einer Familienfeier in Mauretanien im November 2001 wird er plötzlich von einheimischen Polizisten zu einem Verhör abgeholt. Familie und Freunde, vor allem seine Mutter versucht er zu beruhigen. In einigen Stunden werde er wohl wieder zurück sein. Er kommt nicht zurück. Mohamedou Ould Slahi (im Film dargestellt von dem französischen Schauspieler Tahar Rahim) wird nach Jordanien, dann ins Bagram-Gefängnis nach Afghanistan verschleppt, findet sich schließlich in Guantanamo wieder, jenem Gefangenenlager, das die Bush-Administration nach den Anschlägen in New York auf einem Armeestützpunkt auf Kuba schuf. Er wird verdächtigt, die Attentäter des 11. September maßgeblich unterstützt zu haben.

Die Anwältin Nancy Hollander (Jody Foster) nimmt sich des Falls schließlich an. Da sitzt Slahi schon seit Jahren in Guantanamo, ohne Verfahren, wird verhört und gefoltert bis hin zu einer Scheinexekution. Die Anwältin kann kaum auf irgendwelches Material zurückgreifen, kommt an die angeblich erdrückenden Beweise zunächst nicht heran und bittet ihren Mandanten, seine Erlebnisse aufzuschreiben. Die Grundlage für die „Guantanamo Diaries“. Als diese 2015 veröffentlicht werden, wurde von der US-Regierung nur eine zensierte Fassung zum Druck freigegeben. Ganze Passagen geschwärzt.

Der schottische Regisseur Kevin Macdonald erzählt Slahis Geschichte als beobachtendes Justizdrama. Selbst die Folterszenen, Waterboarding, Schlafentzug, werden seltsam beschreibend dargestellt und unterstreichen den dokumentarischen Charakter dieses Films.

Als Gegenpart zu Jody Foster hat man für die Rolle des Chefanklägers Stuart Couch, der selbst einen Freund bei den Anschlägen auf das World Trade Center verlor und sich auch dessen Witwe verpflichtet fühlt, mit Benedict Cumberbatch eine gute Wahl getroffen.

Einige Szenen mit Foster, in denen Sie durch Gefängnisgänge geht, Sicherheitstüren auf- und wieder zugeschlossen werden, sie Anweisungen erhält wie bei Übergriffigkeit ihres Mandanten zu verfahren ist, erinnern schon sehr an die junge FBI-Agentin Clarice Starling, eine von Jodie Fosters größten Rollen. Auch ihr Äußeres erinnert daran. Ob gewollt oder Zufall, ich mochte das. Da ich gefühlte Ewigkeiten keinen Film mehr mit ihr gesehen hatte, war das wie ein Wiedererkennen.

Für das Publikum, das mit dem Schicksal von Slahi nicht ganz so vertraut ist, endet der Film hollywoodgerecht mit seinem Freispruch. Scheinbar. Denn es folgen, weniger als Abspann, mehr als dokumentarischer Nachtrag, Filmaufnahmen des echten Mohamedou Ould Slahi begleitet von Informationen zu seinem weiteren Schicksal. Er verbrachte weitere Jahre in Guantanamo bevor er 2016 endlich freigelassen wurde und in seine Heimat Mauretanien zurückkehren konnte.

Nachtrag

Anfang dieses Monats hatte Slahi Gelegenheit mit seinen ehemaligen Peinigern zu sprechen.
Einer der Männer aus dem Vernehmungsteam bat Slahi um Vergebung, sprach von Unrecht, das er und seine Koleg*innen Slahi angetan hatten.
Sydney, eine ehemalige Analystin in Guantanamo, ist bis heute von Slahis Schuld überzeugt.
Stuart Couch gibt heute zu, dass es sich um Folter gehandelt habe.

Im Zuge der Berichterstattung zum 20. Jahrestag von 9/11 wurde viel über die Kinder der Opfer berichtet. Junge Menschen, die ein Elternteil, meist den Vater verloren hatten und ohne ihn aufgewachsen waren. Darunter auch Elisabeth Miller, deren Vater zu den Feuerwehrleuten gehörte, die beim Versuch, den Menschen in den Türmen zu helfen, ums Leben gekommen war. Elisabeth war damals sechs Jahre alt. Bereits als Kind spürt sie, dass Vergeltung, Hass und noch mehr Tote keine Lösung sein konnten. Als Elfjährige schreibt sie an Präsident Bush, er möge den Krieg beenden. Sie erhält keine Antwort, schreibt ein zweites Mal, wieder ohne Erfolg.

Später lernt Elisabeth Arabisch, studiert Geschichte mit Schwerpunkt Terrorismus, will verstehen. Sie erfährt von den „Guantanamo Diaries“ und nimmt Kontakt zu Mohamedou Ould Slahi auf. Sie sind heute miteinander befreundet.

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