NIHFF
Nuremberg International Human Rights Film Festival
Nuremberg international Human Rights Film Festival 2021
Als ich vom Nuremberg international Human Rights Film Festival, kurz NIHRFF, hörte, gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Wenn irgendwo von Menschenrechten die Rede ist, geht es meist um die Verletzung von Menschenrechten. Wenn diese überall und von allen geachtet würde, müsste man nicht darüber reden. Und es gäbe keine Filme dazu, denn die wären dann ja nicht nötig. Wenn das aber so ist, sie also notwendig sind, haben sie dann auch die Kraft, Dinge zu verändern? Der Film als solcher sicher nicht, auch nicht mehrere, auch nicht – leider – ein ganzes Festival. Aber jeder einzelne Film hat die Kraft, Menschen zum Nach- und vielleicht sogar zum Umdenken zu bewegen, aufzuklären, anzuregen sich mit der Thematik zu beschäftigen.
Das NIHRFF, das größte und älteste Filmfestival zum Thema Menschenrechte in Deutschland,
findet seit 1999 alle zwei Jahre statt. Dieses Jahr somit zum 12. Mal und als hybride Veranstaltung, also sowohl im Kino als auch online. Vom 29.9. bis 6.10. 2021 waren insgesamt waren 41 Filme aus 33 Ländern zu sehen.
Wie gut passt ein Filmfestival über Menschenrechte gerade hierher, denn die Stadt Nürnberg, einst Hochburg des Nationalsozialismus, fühlt sich ihrer Vergangenheit verpflichtet.
Besonders beeindruckt hat mich die belgische Produktion „Elsewhere, everywhere“ der Regisseurinnen Isabelle Ingold und Vivianne Perelmuter.
Wie so viele andere träumt der junge Iraner Shahin von einem besseren Leben und macht sich auf den Weg nach Europa, erreicht Griechenland und schlägt sich schließlich bis nach England durch. Wir sehen Szenen wie aus Überwachungskameras, an der Grenze, an Bahnhöfen, in einem kleinen Laden, nachts, irgendwo in einem Vorort einer Stadt, Blicke wie aus Fenstern auf nächtliche Straßen und
Plätze. Dazu hören wir Telefonate Shahins mit seiner Mutter im Iran, Erzählungen einer Freundin, eigene Schilderungen von Verhören und Befragungen.
Es gelingt den Filmemacherinnen mit diesem Film ein anderer, intensiver Blick auf das Leben eines Geflüchteten und eine ganz eigenartige Atmosphäre zu erzeugen, die einen viel mehr eintauchen lässt in das Leben eines Menschen, der sein Land verlässt um irgendwo anders ein vielleicht besseres Leben zu finden. Die Einsamkeit als Fremder in Europa, ohne Familie und Freunde, dafür mit jeder Menge Ungewissheit, was die Zukunft bringen mag, wird durch diese Art des filmischen Erzählens bedrückend intensiv spürbar.
Heute, 76 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und des Holocaust, in einer Zeit, in der es immer weniger Zeitzeugen gibt, gewinnen Filme wie „Landscapes of Resistance“ („Pejzaži otpora“) eine immer größere Bedeutung für die Nachwelt.
Die Serbin Sonja Vujanović schloss sich als junge Frau den Partisanen und war selbst im KZ Auschwitz-Birkenau im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv. Ihre Enkelin Ana und deren Lebensgefährtin, die Filmemacherin
Marta Popivoda, haben die alte Dame viele Jahre filmisch begleitet und sich aus dem bewegten Leben der ersten serbischen Partisanin berichten lassen.
Sonjas detaillierte Berichte über ihre erste Berührung mit dem Kommunismus, wie sie Partisanin wurde, den Tod ihres Mannes und ihre Verschleppung in verschiedene Konzentrationslager werden begleitet von Filmaufnahmen der Umgebung, in der sich das jeweils Erzählte abgespielt haben könnte, Wälder, Wiesen, ein Fluss, in dem ein Reiher steht und von ihr selbst in ihrer Wohnung. Die alte Dame zeigt ihren linken Unterarm. 82298, die lebenslange Erinnerung an Auschwitz. Sonja macht noch Witze darüber. Die Nummer sei verrutscht, weil ihre Haut mit dem Alter schlaff geworden sein.
Als Sonja Vujanović 97-jährig stirbt, haben sie, ihre Enkelin und deren Freundin ein berührendes Zeitdokument geschaffen, das vor allem so immens wichtig für die Nachwelt ist.
Der mit 2.500 Euro dotierte und von einer unabhängigen internationalen Jury verliehene Internationale Nürnberger Filmpreis der Menschenrechte ging an den südafrikanischen Regisseur Lemohang Jeremiah Mosese für „This is not a Burial, It’s a Resurrection“.
Der Dokumentarfilm „Herr Bachmann und seine Klasse“ von Maria Speth, auch bereits mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, erhielt den mit 100 Euro dotierten Publikumspreis.
Den Preis der Open Eyes Jugendjury ging an „Wem gehört mein Dorf?“ von Christoph Eder.
Ein wichtiges Festival, das politischen Anspruch mit Filmkunst zu verbinden weiß.