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Interview mit Bent Hamer

Interview mit dem norwegischen Regisseur Bent Hamers über seinen Film "The Middleman"

Interview mit Bent Hamer

Monandi.net:
Es geht im Film „The Middleman“ um den arbeitslosen Mittdreißiger Frank Farelli, der in
einer Kleinstadt lebt, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. In der Stadt passieren vermehrt Unfälle und Frank bekommt eine Stelle als Middleman. Er soll im Auftrag der Stadt den Familien der Unfallopfer die Nachricht überbringen. Wie ist die Idee zum Film entstanden?

Bent Hamer:
Der Film basiert auf dem Roman „Sluk“ von Lars Saabye Christensen. Auf die Idee gebracht hat mich meine Frau. Der Film entspricht dem mittleren Teil des Buches, in dem es um die Bewohner einer heruntergekommenen Industriekleinstadt im amerikanischen Rust Belt geht. Das hat mich interessiert. Der soziale Abstieg der amerikanischen Mittelschicht in den letzten Jahren. Die Situation ist in Europa nicht so sehr anders, vor allem für junge Leute, Praktika, befristete Jobs oder Arbeitslosigkeit.

​Monandi.net:
Hätte der Film also auch in Europa funktioniert?

​Bent Hamer:
Ja, das war tatsächlich eine Option. Wir haben in Irland gescoutet und überlegt, den Film dort spielen zu lassen. Aber die Sache mit der Kommission, dieses Dreiergespann aus Sheriff, Pfarrer und Arzt hätte dort nicht funktioniert und das wollte ich gern beibehalten.

​Monandi.net:
Also haben Sie in Kanada gedreht, nicht in den USA, wo der Film spielt?

​Bent Hamer:
Ja, die Bedingungen in Kanada sind einfacher. In den USA sind die Chancen schlecht, wenn man nicht gerade mit amerikanischen Top-Stars dreht.

​Monandi.net:
Der Film spielt in dem fiktiven Ort Karmack im Rust Belt. Wo haben Sie Ihr persönliches Karmack gefunden?

​Bent Hamer:
Das war ein Tipp unserer Co-Produzierenden. Sie schlugen vor, in Sault Ste. Marie zu drehen. Der Fluss im Film ist in Wirklichkeit der St. Mary’s River, die Verbindung zwischen Lake Superior und Lake Huron. Durch ihn verläuft die Grenze zwischen Kanada und den USA. Sault Ste. Marie ist eine Grenzstadt. Der nördliche Teil heißt Sault Ste. Marie Ontario, der südliche Sault Ste. Marie Michigan. Wir haben im nördlichen Teil gedreht. Aber nicht nur dort…

​Monandi.net:
Wo noch?

​Bent Hamer:
In Deutschland. Das Krankenhaus von Karmack steht in Duisburg, einige andere
Szenen haben wir in Solingen gedreht, da wo die Messer herkommen.

​Monandi.net:
Was man im Film überhaupt nicht merkt.

​Bent Hamer (lacht):
Nein, alles Amerka.

​Monandi.net:
Der Sheriff im Film wirkt wie ein typischer Sheriff aus amerikanischen TV-Serien der Siebziger- und Achtzigerjahre. Ist das Zufall?

​Bent Hamer:
Ein bisschen klischeehaft, ja. Genauso wird er im Buch beschrieben. Das hat mir
gefallen. Für mich ist der Film auch ein bisschen wie ein Western.

​Monandi.net:
Anfangs wirkt der Film wie eine Komödie, später wie ein Drama.

​Bent Hamer:
Das ändert sich im Verlauf des Films. Aber ich mag schwarzen Humor, deshalb hat der Film auch Momente zum Lachen

.Monandi.net:
Zu Beginn des Films sagt die Hauptfigur Frank, er nehme die Dinge wie sie
kommen, das heißt er reagiert hauptsächlich. Dann gibt es diese Schlüsselszene im Krankenhaus mit seinem Freund Steve. Frank muss eine Entscheidung treffen und trifft sie. Danach wirkt er härter und ein bisschen gemein.

​Bent Hamer
Zumal er das Gefühl hat, ihm werde die Schuld daran gegeben und eine Mitschuld an den Unfällen.

​Monandi.net:
Sind die Unfälle denn wirklich Unfälle?

​Bent Hamer:
Im Fall der beiden Mädchen wird deutlich, dass es wohl kein Unfall war, bei den anderen…wer weiß.
In Norwegen dachten manche Zuschauer, Frank hätte tatsächlich seine Finger im Spiel um nicht wieder arbeitslos zu werden, aber das habe ich nie so gesehen.

 Monandi.net:
Es gibt eine weitere Schlüsselszene im Film, als Franks Mutter ihm sagt, dass sie nicht glaubt, dass der Tod des Vaters als Frank ein Kind war, ein Unfall war. Sie eröffnet ihrem Sohn, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben will.

​Bent Hamer:
Das ist eine wirklich gute Szene von Nina Andresen Borud, die Franks Mutter spielt. Ich habe schon bei „Hjem til Jul“ („Home for Christmas“) mit ihr gedreht. Wir stammen aus dem gleichen Ort.

​Monandi.net:
Ich hab mich gefragt, ob sie das mit Absicht sagt, um Frank zu einer Entscheidung zu zwingen, den nächsten Schritt zu tun. So wie man das manchmal aus dem Tierreich kennt.

​Bernt Hamer:
Wie eine Vogelmutter, die ihr Küken aus dem Nest wirft, damit es erwachsen und selbständig wird? Das ist eine sehr interessante Frage. Das könnte sein.

​Monandi.net:
Er bricht dann ja auch auf.

​Bent Hamer:
Kann sich aber auch nur vom Fluss in eine Richtung treiben lassen, als er mit
einem der zurückgelassenen Boote aufbricht.

​Monandi.net:
Aber er entscheidet sich zu diesem Schritt und tut es. Er nimmt das Leben nicht
mehr nur wie es kommt.

​Bent Hamer:
 Das stimmt.

​Monandi.net:
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.

​Bent Hamer:
Sehr gerne.

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